Montag, 5. Oktober 2015

Büchertagebuch + Mein Senf zum literarischen Quartett

Also, bei meinen letzten Lektüren musste ich leider feststellen, dass ich literarisch gesehen wohl ein ziemlicher Tiefflieger bin. Alles, was von "richtigen" Buchkritikern hoch gelobt wird, gefällt mir nicht, dafür mag ich Bücher die nicht mal rezensiert werden...

Zum Beispiel: "Der erste fiese Typ" von Miranda July. Das BücherMagazin schreibt "In Miranda Julys erstem Roman tobt das wilde Leben - psychotisch, prollig und wahrhaftig wundervoll." Psychotisch fand ich es auch, aber das war's dann schon... Für mich war es ein Buch mit lauter kleinen Ekligkeiten, in dem ein spätes Mädchen aufblüht und schlussendlich das Glück in einem Baby findet - wie konventionell ist das denn? Es gab ein paar nett formulierte Sätze, aber den Titel fand ich eindeutig das Beste an diesem Buch.



Nur ganz ok fand ich auch die beiden nächsten Titel: "Ein untadeliger Mann" von Jane Gardam und "Die späte Reue des Jack Wiseman" von Ayelet Waldman. Das erste ist so ein Buch, in dem eigentlich nichts passiert (das ist aber immerhin ganz amüsant beschrieben, vor allem wenn man hochgradig anglophil ist). Es geht um einen pensionierten Anwalt, der lange in Hongkong gelebt hat und nach dem Tod seiner Frau nun allein in England lebt. Laut Buchkritiken ist in dem Buch das meiste ironisch gemeint, mich hat aber die Gutsherren-Attitüde ziemlich genervt.

Das andere hat mir zwei Drittel lang unheimlich gut gefallen und dann ein Drittel lang überhaupt nicht. Im ersten Teil des Buchs versucht Jack Wiseman 1945 als Soldat im besetzten Salzburg einen Zug voller Gegenstände zu beschützen, die ungarische Juden in Budapest abliefern mussten. Er kann aber leider nicht verhindern, dass sich seine Vorgesetzten munter an Porzellan, Champagnergläsern und allem anderen bedienen, und leidet sehr darunter, ebenso unter einer unglücklichen Liebe. Im zweiten Teil versucht seine Enkelin in seinem Auftrag, in Budapest die Besitzerin eines Medaillons aus dem Beutezug ausfindig zu machen, um seine Schuld von damals zu sühnen. Der dritte Teil erzählt das Zwischenstück der Geschichte, woher also das Medaillon wirklich stammt. Dieser Teil ist leider furchtbar langatmig geraten und ich hatte das Gefühl, dass die Autorin hier selbst nicht so genau weiß, auf was sie eigentlich hinaus will, schade!



Jetzt kommen aber die Guten: Richtig toll fand ich das neue Buch von Sara Gruen "Die Frau am See". Ein perfekter Schmöker für die ersten dunklen Herbstabende, vom Stil und vom Lesegenuss her hat es mich sogar ein bisschen an die "Teerose" erinnert (= höchstes Lob!). Eine junge Frau kommt 1945 mit ihrem nichtsnutzigen Ehemann und seinem besten Freund nach Schottland, um die Existenz des Ungeheuers vom Loch Ness zu beweisen. Während die beiden Herren tagein tagaus mit Kamera und Flachmann am See sitzen und sich gnadenlos volllaufen lassen, sitzt sie in ihrer Pension und fühlt sich überflüssig. Und hat endlich einmal Zeit, über ihr Leben nachzudenken. Ist sie wirklich der unkomplizierte Kumpel, der alle Eskapaden ihres Mannes toleriert? Was will sie eigentlich, wo soll es für sie nach dieser Reise hingehen? Und sie freundet sich mit den beiden Mitarbeiterinnen der Pension an und schaut endlich wieder mal über ihren eigenen Bauchnabel hinaus... ein bisschen romantisch, ein bisschen mystisch, ein bisschen Lokalkolorit, ein bisschen Zeitgeschichte, eine zauberhafte Liebesgeschichte und ein richtig schönes Buch!


Ein neues Buch von Marie Hermanson muss ich natürlich sofort lesen, und "Der unsichtbare Gast" war wieder mal einfach großartig. Ich mag den reduzierten Stil und die Lust, mit der sie eine erst mal ganz harmlose Situation genüsslich nach und nach eskalieren lässt. Auch hier fängt es unverfänglich an: Fünf junge Menschen ohne rechte Perspektive leben auf einem Landgut als Angestellte einer älteren Dame. Ihre einzige Aufgabe: Die Illusion aufrecht erhalten, dass man sich in den 40er Jahren befindet, inklusive passender Kleidung und geheimdienstlichen Büroaktivitäten. Dabei taucht ein Testament auf, und eines Tages sitzt der begünstigte Erbe plötzlich leibhaftig im Salon... Man sieht das Verhängnis kommen, auch wenn Marie Hermanson den einen oder anderen unvorhergesehenen Winkelzug auf Lager hat. Was für ein Lesevergnügen, was für eine wunderbare Schriftstellerin! Wer von euch sie noch nicht kennt, hat eine ganz tolle Entdeckung vor sich, vor allem wenn ihr Barbara Vine oder Anne B. Ragde mögt. 


Und dann habe ich am Freitag natürlich das Literarische Quartett geschaut, beziehungsweise am Samstag in der ZDF-Mediathek. Was war das denn? Zwei Männer klugscheißern rum, dass es eine Pracht ist, und zwei Frauen wollen inhaltlich über Bücher reden, dürfen aber nicht. Würg. Dabei fand ich Juli Zeh und die immer wunderbare Christine  Westermann toll; die beiden hätten die Kerle - das Bücher-Nörgeli und den hyperaktiven Berufsjugendlichen - einfach sitzen lassen und in einer Bar gemütlich weiter reden sollen. Die Zuschauer wären ihnen sicher gefolgt! Und dann noch die Kameraführung, ich bin mir vorgekommen wie im "Waterloo"-Video von ABBA, wo sie Agnetha und Anni-Frid immer so von vorn und der Seite zeigen. Hihi, trotzdem schaue ich nächstes Mal sicher wieder rein, und wenn es nur zum Aufregen ist.





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