Freitag, 15. April 2016

Empfehlungen aus der Spätlese

Am Dienstag war wieder Spätlese, und es ist mir richtig schwer gefallen nur fünf Bücher auszusuchen - letztendlich wurde es ein 5 + 1:


"Wolken wegschieben" ist das neue Buch von Rowan Coleman; von ihr mochte ich "Einfach unvergesslich" und "Zwanzig Zeilen Liebe" ja schon sehr gerne. Und das neue gefällt mir fast noch besser! Hier geht es um Willow, die ihr Leben sozusagen mit angezogener Handbremse lebt. Das wird ihr selbst aber erst deutlich, als einige sehr unvorhergesehene Ereignisse sie rüde aus ihrer Komfortzone stossen. Sie beschliesst also, einige Altlasten in ihrem Leben aufzuräumen, denn - und das fand ich ganz berührend - sie kann sich nicht mehr daran erinnern, wann sie zum letzten Mal so richtig gelacht hat. Und ihr Lachen möchte sie wiederhaben! Das kommt leichtfüßig daher, ist aber reflektiert und angenehm unaufgeregt geschrieben. Die Autorin schafft es erstaunlich gut, Klischees zu vermeiden und nicht in die Harmoniefalle zu tappen, und trotzdem sehr unterhaltsame Geschichten zu erzählen.


Von "Kirschblüten und rote Bohnen" hatte ich ja neulich schon geschwärmt, deshalb gleich weiter zu "Der Pfau" von Isabel Bogdan. Was hab ich mit diesem Buch gelacht! Das ist perfekter englischer Humor und ein großartiges Geschenk an alle Business-Helden, die schon mal zu Teamentwicklungsmaßnahmen gezwungen wurden (oder wie ich welche moderieren durften). Hier reisen vier Londoner Banker mit ihrer Chefin, einer Moderatorin und einer Köchin in die schottischen Lowlands, um im tendenziell ungeheizten Landsitz von Lord und Lady McIntosh zu einem besseren Miteinander zu finden. Leider steht das  Vorhaben unter keinem guten Stern, und ein verrückt gewordener Pfau setzt eine dramatische Kette von völlig absurden Ereignissen in Gang. Ein Appetithäppchen: Was tut wohl eine Köchin, wenn sie heimlich einen Pfau verschwinden lassen muss? Ich habe mich jedenfalls göttlich amüsiert und kann euch das Buch nur wärmstens ans Herz legen.


Auch Melanie Raabes "Die Falle" habe ich bei Erscheinen der gebundenen Ausgabe schon gefeiert und klaue daher mal wieder bei mir selbst aus meiner damaligen Buchvorstellung:
Ich bin wirklich keine ängstliche Person, aber beim Lesen von Melanie Raabes "Die Falle" dachte ich neulich Abend mal kurz, oh oh ich bin ja ganz allein zu Hause und draussen ist es schon dunkel und bibberbibber... gar nicht, weil das Buch so gruselige Stellen hätte, aber die ganze Atmosphäre ist so beklemmend und angespannt. Es geht um eine Schriftstellerin, die vor 11 Jahren ihre Schwester ermordet gefunden hat und seitdem völlig traumatisiert ihr Haus nicht mehr verlassen hat. Nun sieht sie eines Abends den Mörder, den sie damals fast überrumpelt hätte, im Fernsehen und beschließt, ihn zu einem Geständnis zu zwingen. Da lädt sie ihn zu einem Interview zu sich in ihr Haus ein. Brrrrrrr, mir läuft es schon wieder eiskalt den Rücken runter. Ein wahnsinnig intelligenter Krimi mit vielen Ebenen und Wirklichkeiten, trotzdem stringent erzählt und mit vielen Stellen, die ich vor Begeisterung gleich mehrmal gelesen habe. Allein, wie sie sich auf das Interview vorbereitet! Ein wirklich tolles Buch, ich glaube auch für Leute, die sonst eher keine Krimis mögen.


Und dann noch das neue von Kristina Ohlsson: "Papierjunge". Ein ganz toller Krimi um zwei verschwundene Jungen. Was haben die beiden gemeinsam? Fredrika Bergman und Alex Recht finden heraus, dass die Eltern der beiden sich schon in einem Kibbuz kannten und gemeinsam nach Schweden ausgewandert sind, und suchen nun die Auflösung in der Vergangenheit und in Israel. Hier hat mich neben den sympathischen und interessanten Ermittlern und Nebenfiguren und dem packenden Fall vor allem der Spannungsbogen fasziniert: Es gibt mehrere Erzählebenen, die in einem wirklich atemlosen Finale zusammenlaufen. Die ganze Bergman-Recht-Reihe ist sehr lesenswert, und diesen finde ich fast den besten Band!





Ja, und dann mein Edeljoker, die +1: Der neue Roman von John Irving ist da! "Straße der Wunder" ist ein typischer "später" Irving, für viele hört es ja bei der "Witwe für ein Jahr" auf mit dem Lesevergnügen. Aber ganz ehrlich, sein Schreibstil ist einfach unerreicht! Da ist mir fast egal, über was er schreibt... Hier geht es um einen älteren Schriftsteller, und in vielen Szenen nimmt er sich selbst und die älteren Bücher wie "Zirkuskind" ein bisschen auf die Schippe, sehr lustig! Auch die üblichen Verdächtigen wie der väterliche Freund und Mentor, die zornige junge Frau, die Prostituierte undsoweiter kommen wieder vor, fast wie bei einem Klasssentreffen. Und ich mag die Stimmung in dem Roman, das Nirgendwo-dazugehören, das Dazwischen. So viele kluge Gedanken auf engem Raum! Im Vorfeld hatte ich eine Diskussionsrunde mit Gert Scobel und drei sehr aufgeregten Damen gesehen, die sich fürchterlich über die Unglaubwürdigkeit der Geschichte und die Pornografie in dem Buch aufgeregt haben, aber hey, das ist John Irving, so schlimm ist es nicht. Und, um den Meister selbst mal zu zitieren: Das echte Leben ist zu schluderig, um als Modell für gute Fiktion zu taugen.







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